LordKamar U1
#51 24.03.18 00:41:06 edit: 24.03.18 00:42:54 | [ctr]-50.1-[/ctr][br]Die Wolken hatten eine dunkle, fast schwarze Farbe angenommen und ergossen sich auf die Welt unter ihnen. Unzählige Scheinwerfer und Strahler malten zufällige oder bewusste Muster und Figuren auf die natürliche Leinwand. Trotz der schrecklichen Ereignisse des Tages ging das Leben auf Sterra weiter und Nelia empfand einen leichten Stich des Neids, als sie durch die ausgelassene Menge der Menschen taumelte. Sie war von oben bis unten durchnässt und ihr war furchtbar kalt. Ihre schneeweiße Haut hatte bereits eine bläuliche Färbung angenommen, aber sie hielt nicht an um sich in einem Lokal oder Etablissement aufzuwärmen. Sie konnte den Ausdruck in den Augen des Leutnants nicht vergessen. Diese tiefe und krankhafte Verzweiflung. Hätte er sie wirklich erschossen? Nelia war zu tiefst verstört, wollte nicht darüber nachdenken, aber ihr perfektes Gedächtnis hielt ihr immer wieder ihre Gesichter vor Augen. Scorns Verzweiflung, Hiems Enttäuschung und Vergils Liebe. [br]Ihre langen Haare hingen ihr ins Gesicht und so sah sie kaum den Weg unter ihren Füßen und so ließ sie sich einfach treiben. [br]„Wir empfehlen der Junker dringend trockene Kleidung und Wärme. Auch wenn es hier vergleichsweise mild ist, kann eine ernsthafte Erkältung drohen.“[br]Sie blieb stehen und hob leicht den Kopf. Die Stimme kam von Links und sie warf einen flüchtigen Blick in die Richtung. Der Agent stand an eine Hauswand gelehnt, ein schwarzer Regenschirm hielt die Schauer von ihm fern und er musterte sie aufmerksam ohne zu lächeln. Er löste sich aus seiner Stellung und stellte sich neben sie. Das trommeln von Regen auf die Oberfläche des Schirms verschluckte fast seine nächsten Worte. „Wir nehmen an, die Junker hat sich mit dem Ersten Leutnant in Verbindung gesetzt?“ Der Blick der jungen Frau ging Kehle durch Mark und Bein. Ihre grünen Augen spiegelten so tiefe Trauer und Verzweiflung wieder, dass Kehle spüren konnte wie die Stimme zusammenzuckte und aufstöhnte. „Er wird sie treffen“, sagte sie schlicht. „Wir werden die Junker nach Hause bringen. Die Junker darf ihre besonderen Umstände nicht vergessen. Regen und Kälte sind sicherlich nicht die Richtige Umgebung für eine werdende Mutter.“ Nelia versteifte sich, ließ sich aber von Kehle mit sanftem Druck am Arm durch die Straßen zu einem Fahrzeug führen. Kehle öffnete ihr eine der hinteren Türen und gab dem Fahrer ein Zeichen, nachdem sie eingestiegen war. Als Nelia sich nach ihm umsah, war er bereits verschwunden.[br]Sie öffnete die Tür zu ihrer Wohnung und erstarrte auf der Schwelle. Hiems stand vor ihr, seine Miene ein Wirbel aus Emotionen, aber sie konnte deutlich ein Lächeln erkennen. Seine Umarmung war warm und fest. „Es tut mir so leid“, flüsterten sie gleichzeitig. [br]„Wir begrüßen den Ersten Leutnant und hoffen darauf nicht erschossen zu werden.“ Scorn sah auf. Er hatte an seinem Schreibtisch gesessen, sein Gesicht in die Hände gestützt. Kehle stand wie aus dem Nichts geboren vor ihm und lächelte. „Ich habe leider keine Waffe zur Hand, Kehle sonst würde ich ihre Hoffnungen zerstören.“ Der Agent nickte mit gespielter Ernsthaftigkeit. „Wir bedauern den Zwischenfall mit der Junker, es war nicht unsere Absicht sie in Gefahr zu bringen.“ Scorn schnaubte verächtlich. „Kommen sie zum Punkt.“ Kehle kam auf ihn zu und setzte sich ungefragt auf einen Stuhl ihm gegenüber. Dann nahm er eine Zigarettenschachtel aus der Jacke und steckte sich eine an. Mit fragendem Blick hielt er die Schachtel Scorn hin, der ihn jedoch nur ausdruckslos anstarrte. Kehle ließ die Schachtel auf den Tisch fallen und lehnte sich zurück. „Wir brauchen Sie Hilfe des Ersten Leutnants und bieten ihm dafür seine private Rache.“ Als der Angesprochene nicht reagierte fuhr Kehle fort. „Wir wissen, wer hinter dem Anschlag auf die Walhalla steckt." Er atmete eine Rauchwolke aus und betrachtete Scorn, der immer noch keine Regung zeigte. Kehle verengte amüsiert die Augen zu schlitzen. 'Denkst du er wird anbeißen?' 'Natürlich wird er das. Pass gut auf.' "Wenn wir nun dem Ersten Leutnant verraten würden, dass die selbe Person hinter dem Anschlag steckt, die auch Hauptmann Vanessa Curse getötet hat." "Würde er ihnen nicht glauben." Kehle hatte ein gutes Auge für Menschen. Die Ruhe, die Scorn Harbinger ausstrahlte war nahezu vollkommen, eisern wie sein Beiname verriet. Selbst in seinen Augen erkannte er nur einen leichten Hauch von Abneigung. "Und er würde gut daran tun, denn dem ist nicht so." Das leise ticken einer Uhr war neben Kehles inhalieren von Tabak das einzige Geräusch im Raum. Die beiden Männer sahen sich unverwandt in die Augen. Scorns stahlgraue Neutralität und Kehles dunkle Berechnung wetteiferten miteinander. Die Neutralität verlor letztendlich und wich Mistrauen. "Sprechen sie Kehle." Der Agent lächelte. [br]"Und du hast alles Gewonnen?" Nelia lachte leise. Ihr Kopf ruhte auf Hiems Schulter, während eine wärmende Decke die Kälte des Regens aus ihren Gliedern vertrieb. Sie hatten sich auf ihre, Sofa niedergelassen. Während Hiems von seinen Erlebnissen auf Wilgo erzählte lauschte Nelia ihm, die Knie an ihren Oberkörper gezogen. "Ich schwöre dir, ich habe Kehle weder davor noch danach so ratlos gesehen." Er imitierte den Ausdruck des Agenten und Nelia kicherte. Ihre Stimmung wurde bedrückter, je weiter Hiems erzählte und ihr Gewissen versetzte ihr einen Stich nach dem anderen. Als er geendet hatte setzte sich auf und schaute ihn an. Sie wollte irgendetwas sagen, sich entschuldigen aber sie fand keine Worte. "Jetzt will ich deine Geschichte hören." Er bemühte sich gelassen zu klingen, aber sie hörte seine Anspannung. Stockend begann sie und unterbrach sich oft, um Worte ringend. Erfolglos versuchte sie nicht zu erröten, als sie über den Admiral redete und sie warf Hiems immer wieder Seitenblicke zu und versuchte sich so kurz und oberflächlich wie möglich zu halten. Er wirkte gefasst und versuchte sogar aufmunternd zu lächeln. Als Nelia von ihrer Letzten Begegnung mit Vertras erzählte brach sie ab, sie wollte es nicht wiederholen. "Ich liebe dich.", hallte es in ihren Gedanken wieder. Sie spürte Hiems Hand an ihrer Schulter und schaute ihn an. Die alte Traurigkeit war zurückgekehrt, und fraß sich tief in Hiems Gewissen. 'Und ich war Eifersüchtig und Böse auf sie', schalt er sich selbst. "Ich wusste nicht, wie Einsam du wirklich warst und habe nicht verstanden, wie es ist, Niemanden zu haben. Alleine aufzuwachsen, ohne Familie und Freunde, das kann ich mir nicht vorstellen und will es auch gar nicht. Deswegen war ich selbstsüchtig und enttäuscht." Sie lächelte verlegen. Nach kurzem schweigen sagte sie: "Ich wünschte, du wärst nicht zu diesem Einsatz gerufen worden. Ich wünschte, wir hätten zusammen tanzen können." Er wollte antworten aber Nelia legte ihm ihren Zeigefinger auf den Mund und küsste ihn.[br]Scorn "Iron" Harbinger saß immer noch regungslos hinter seinem Schreibtisch, als Kehle geendet hatte. Varen Corvus, der übergelaufene Verräter, der wegen Vergewaltigung und Befehlsverweigerung, sowie offenem anstacheln zur Meuterei vor seinen eigenen Leuten fliehen musste war es also gewesen. Gedeckt durch den Geheimdienst und als Belohnung für seinen Verrat hatte er nach der Eroberung von 04-34-25 einen hohen Posten in der planetaren Miliz bekommen. Scorn war schlecht vor Wut. Er hatte mit diesem Mann an einem Tisch gesessen, Pläne ausgearbeitet und sogar Seite an Seite gekämpft, um seine Rache zu erhalten. "Als Corvus uns also den Zugang zum Zentralen Belüftungssystem ermöglichte und wir den Bunker mit Giftgas geflutet haben, hat er damit alle Zeugen beseitigt." Kehle wackelte mit dem Kopf hin und her. "Wir gehen davon aus, dass die meisten der Verteidiger durch das Giftgas oder die Offensive gestorben sind. Die wenigen Überlebenden wurden bereits von uns Verhört und wie es der Zufall so wollte haben wir einen Zeugen gefunden, welcher zur fraglichen Zeit an dem Angriff auf die von Hauptmann Vanessa Curse befehligte Einheit beteiligt war. Der Zeuge konnte uns unseren Verdachte bestätigen." "Ja, welch passender Zufall sich da eingestellt hat. Fast könnte man sagen es sei zu viel des Guten." Harbinger atmete tief durch, stand auf und ging zum Fenster. Er starrte hinaus in den Regen und hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Der Agent bemerkte, wie sie leicht zitterten. 'Wir haben ihn. Er wird dem Drang nach Vergeltung nicht wiederstehen können' 'Und deinem? Wird er dir auch helfen?' Nach einer langen Pause sprach der Leutant. "Ich bin ihnen dankbar Kehle, dass sie diese Informationen mit mir geteilt haben." Er drehte sich um. "Aber was hat das alles mit dem Anschlag auf die Raumstation zu tun." Kehle musterte aufmerksam sein Gesicht. "Gar nichts." Er schmunzelte, als er das leichte zucken von Verwirrung sah, ganz kurz nur. "Nein wir haben dem Ersten Leutnant die Wahrheit erzählt, damit er uns helfen kann." "Helfen? Ihnen?" Kehle nickte. "Wir haben ein Angebot für den Ersten Leutnant. Wir werden ihm unerkannten und ungestörten Zugang zu Varen Corvus geben. Der Erste Leutnant wird seine Rache nehmen können, um endlich mit der Vergangenheit abzuschließen." [br]Scorns Kiefermuskeln zuckten leicht und er verengte die Augen. "Anschließend wird uns der Erste Leutnant zurück nach Sterra begleiten, in das Hauptquartier des Geheimdienstes. Dort werde ich etwas tun und der Erste Leutnant wird meine Version der Geschichte bestätigen, als ob er dabei gewesen wäre." Scorn lachte kurz und humorlos auf. "Sie glauben wirklich Kehle, ich würde ihnen einen Freibrief für ihre Intrigen geben?" "Ja, das glauben wir." Harbinger kam zurück an seinen Schreibtisch und setzte sich, die Hände an den Fingerspitzen zusammengelegt. "Sie werden mir jetzt genau erklären, was die zu tun gedenken Kehle, bevor ich in irgendetwas einwillige." Der Agent schwieg. 'Jetzt darfst du dir was ausdenken. Offenbar ist er doch nicht so getrieben von Rache, wie du dachtest.' Die Stimme war merklich angespannt und verärgert. 'Keine Sorge, ich habe alles unter Kontrolle.' "Wir müssen unseren unangenehmen Pflichten nachkommen und weitere Katastrophen dieses Ausmaßes verhindern." [br]Scorn schüttelte den Kopf. "Zu unpräzise Kehle." Er lehnte sich zurück. "Fangen wir doch einem damit an, dass sie eigentlich tot sein müssten." Kehle blinzelte. "Unser Angriff auf die vermeidliche Kommunikationszentrale des Feindes, damals auf Wilgo. Wie sich herausstellte handelte es dabei um eine schwer Befestigte Stellung und die Angreifer waren vorgewarnt. Merkwürdig genug, wenn nicht ein gewisser Gefreiter, der eine verblüffender Ähnlichkeit zum Agenten mit dem Namen Kehle aufwies, regelmäßig aus dem Lager verschwand und wiederauftauchte. Ein Mann, der vor besagtem Angriff unauffindbar war und nach dem Angriff erst zwei Jahre später wieder in Erscheinung treten sollte." Scorn beobachtete die Miene seines Gegenübers und war überrascht so etwas wie Schuld darin zu finden. "Was haben sie damals auf Wilgo getan?" Der Agent straffte sich. "Wir waren als Doppelagent tätig und haben Informationen über den Feind beschafft." "Im Austausch von Informationen über uns, den Widerstand wie ich annehme." Kehle antwortete nicht, aber das musste er auch nicht. "Haben sie uns damals falsche Informationen zugespielt, um uns zu einem Angriff zu bewegen? Und haben sie damals dem Feind vor unserem Angriff gewarnt, damit er sich darauf vorbereiten konnte?" "Wir denken, dem Ersten Leutnant sind die Antworten auf die Fragen bereits bekannt." Scorn fühlte einen grimmigen Triumph und spiegelte das Gefühl über seine Mimik wieder. "Warum sollte ich ihnen also trauen? Sie verraten ihre eigenen Leute, Opfern ihre Kameraden. Nennen sie mir also nur einen Grund, warum ich ihnen vertrauen sollte und mich nicht vor einem Kriegsgericht wiederfinde, weil ich ihre Machenschaften gedeckt habe." Der Agent zündete sich eine zweite Zigarette an, bevor er ruhig antwortete. "Wie der Erste Leutnant erkennen kann ist Verrat ein wiederkehrendes Motiv in unseren Geschichten. Verrat befohlen und gedeckt, aber nicht nur gegen unsere Soldaten." [br]Er stieß eine Rauchwolke durch die Nase aus. "Wir konnten durch unsere Warnung und übrigen korrekten Informationen endlich ein Treffen mit dem General der Invasoren aushandeln. In einem Bunker, weit unter der Erde empfing er uns." Die Stimme des Agenten wurde dunkel und belegt. "Wir hatten nur eine Aufgabe. Lokalisieren und markieren der feindlichen Kommandostruktur für unsere Raumschiffswaffen. Die Befreiungsflotte sollte bei ihrem Eintreffen eine gezielte Salve abgeben, um die Invasoren Führerlos und unkoordiniert zurück zu lassen. Also markierten wir die Position." Scorn sah ihn ungläubig an. "Die Befreiungsflotte kam während unseres Angriffs an." Er konnte sich genau an die unzähligen Explosionen erinnern, als die Raumschiffe ihre Feuerkraft entfesselten. Säulen aus konzentrierter Energie sprengten Krater in den Asteroiden, Raketen zerstörten Stellungen und Bunker. "Wie haben sie überlebt?" "Die Antwort ist ebenso einfach wie verwirrend. Wir überlebten nicht." Scorn kniff die Augen zusammen und legte den Kopf schief. Kehle nahm noch einen Zug. "Der erst Leutnant und wir haben mehr gemeinsam, als er sich eingestehen will. Wir streben ebenso nach Vergeltung, sogar gegen dieselbe Person, wenn auch nur indirekt." Kehle stand auf und drückte die Zigarette in einen kristallernen Aschenbecher. "Uns ist bewusst, was der Erste Leutnant über uns denkt, aber Wir... Er hat mehr geopfert als jeder andere von Ihnen." Scorn starrte ihn an. Kehle klang plötzlich anders. Seine Stimmlage und Aussprache hatte sich deutlich verändert. "Wenn sie keinem Agenten und Verräter vertrauen wollen, vertrauen sie jemanden, der für dieses Imperium gestorben ist, einem Mann der seine Tochter..." Er brach ab und krampfte merklich zusammen. 'NEIN! Sei. Sofort. Still.' Als er wieder sprach, klang er normal wie immer. "Wir erwarten den Ersten Leutnant morgen früh am Raumhafen des Palastes. Andockbucht zwei." Er verließ das Büro, beinahe schon rennend. [br]-52-[br]Als Hiems erwachte spürte er etwas Warmes und schweres auf seinen Beinen. Er war sitzend auf Nelias Sofa eingeschlafen und sie lag mit ihrem Kopf in seinem Schoß. Ihre grünen Augen schauten ihn direkt an. Es lag kaum noch etwas von ihrer Traurigkeit darin. "Ich hatte schon Angst, es wäre wieder ein Traum gewesen.", sagte Hiems und streichelte ihre seidigen Haare. Sie schloss genießerisch die Augen und lächelte. "Ist es das denn nicht letztendlich? Wir werden die meiste Zeit an verschiedenen Enden des Imperiums sein, uns Monate nicht sehen." Hiems erschauderte bei dieser Vorstellung. "Wir könnten uns versetzen lassen.", schlug er vor. "Am besten wir bleiben auf Sterra. Du könntest auf einem Horchposten Arbeiten und ich den ganzen Tag langweilige Barracken oder protzige Paläste bewachen. Am Abend würden wir dann zusammen sein. Wir könnten in ein Haus an einem der unzähligen Seen ziehen." Ihr Lächeln wurde breiter. "Ich habe noch nie so große Mengen ungefrorenes Wasser gesehen. Dann könntest du mir schwimmen beibringen und ich dir im Winter Schlittschuhlaufen." Sie schwelgten noch lange in ihren Vorstellungen, wohl wissend, dass es nichts weiter als schöne Träume waren. Sie würde wahrscheinlich bei einem der vielen Konflikte mitten in der Leere verbrennen und er im Schlamm einer unbekannten Welt verbluten. Sie wussten es beide, aber das war noch lange kein Grund, ihre Wünsche aufzugeben. Hiems spürte Nelias wachsendes Unbehagen, trotz ihrer beiden schönen Worte. "Du machst dir Sorgen wegen des Kindes, richtig?" Sie richtete sich auf und fuhr mit ihren schlanken Fingern durch die langen Haare. "Ich weiß nicht was ich tun soll. Wenn Vergil wirklich zum Verräter wird, ist das kleine Wesen schon vor seiner Geburt gebrandmarkt. Kinder von Verrätern sind Ausgestoßene, Hiems." Und die Mütter auch, dachte Argenteum und musste schlucken. "Ich will nicht, dass es so aufwächst wie ich. Alleine." Er legte ihr den Zeigefinger unter das Kinn und bewegte sie dazu ihn anzusehen. "Ich verspreche dir, das wird nicht passieren. Egal wie die Sache ausgeht, ich bleibe an deiner Seite." Die Dankbarkeit in ihrem Blick beflügelte seine Gefühle. Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und drückte einen Kuss auf ihre Lippen. "Hast du eigentlich noch dein Kleid?", fragte er mit rauer Stimme? Sie nickte schelmisch lächelnd. "Dann lass uns tanzen."[br]Kehle ließ den Verschluss seines Feuerzeuges aufschnappen und klappte es dann wieder zu. Er wiederholte die Geste gedankenverloren, während er am Rumpf eines Shuttles lehnte und die Gestalt des Ersten Leutnants musterte, die auf ihn zumarschierte. Er trug seine Uniform und sein feldgrauer Mantel flatterte im Luftzug. Darunter konnte Kehle das Holster seiner Handgefertigten Pistole sehen. Selbige steckte griffbereit darin, offenbar hatte er sie sich wiederbeschafft. Der Agent nickte ihm zu und stieg wortlos in das Raumschiff. Den Start vorbereitend bemerkte er, wie der Leutnant hinter ihm Platz nahm. Sie schwiegen, während der Planet unter ihnen kleiner wurde und sie auf das gigantische Sprungtor zusteuerten. Auch im Hyperraum und während des Anflugs auf Delbus sprachen sie kein Wort miteinander. Kehle landete das Shuttle auf dem Flugfeld des Gouverneurspalastes, in welchem auch Varen Corvus sein Büro hatte. Der Agent drehte den Pilotensessel und schaute Harbinger direkt an. Der Leutnant schien äußerlich die Ruhe selbst zu sein und wartete Geduldig darauf, dass sich die Shuttletüren öffneten. "Wir haben alles Nötige für das Vorhaben des Ersten Leutnants vorbereitet. Der Erste Leutnant wird alleine mit Corvus sein. Der Erste Leutnant hat so viel Zeit, wie er benötigt." Scorn nickte nur knapp und verließ dann das Raumschiff.[br]Er schritt mit militärischem, festen Schritt durch die Gänge. Ohne sein Vorhaben und ohne Kehles Hinweis wäre es ihm sicherlich merkwürdig vorgekommen, dass sich kein Mensch auf seinem Weg befand. Seine Blicke huschten von links nach rechts, bis er die richtige Tür gefunden hatte. Er stand davor, starr wie aus Stein gehauen und ließ seine Barrieren fallen. Vanessas lachen tauchte in seinen Erinnerungen auf, ihr Geruch und ihr Geschmack. Wie sie sich liebten und wie sie am Ende vor ihm lag, vergewaltigt und ermordet von dem Mann hinter dieser Tür. Wollte er sein Geständnis? Brauchte er es überhaupt? Das Geräusch seiner Knöchel auf dem Holz der Tür überraschte ihn selbst, denn er konnte sich nicht daran erinnern geklopft zu haben. „Herein!“ Scorn drückte die Türklinke und schwang sie auf. Ihm gegenüber, hinter einem Schreibtisch saß auf einem gepolsterten Stuhl mit hoher Lehne der ehemalige Sargento. Einen Kopf größer als der Leutnant und breit wie ein Schrank wirkte es fast komisch, wie er mit einer Brille auf der Nase vor einem Computer saß und irgendwelche Eingaben tätige. Er sah auf und runzelte überrascht die Stirn. „Erster Leutnant Harbinger, was…“, weiter kam er nicht. Etwas flog durch die Luft und landete scheppernd auf dem Tisch, rutschte die letzten Zentimeter und blieb liegen. Varen nahm es in die Hand und betrachtete es. Es war eine Erkennungsmarke der Armee. ‚Vanessa Curse' war dort eingeprägt. Eine oft gefaltete Fotografie landete an derselben Stelle wie die Marke und Corvus wurde heiß und kalt gleichzeitig. Natürlich erkannte er die Frau darauf und seine Augen zuckten hin und her, suchten einen Fluchtweg. Scorn sagte nichts, er starrte ihn nur an. Die Reaktion des Mannes reichte ihm vollkommen als Geständnis aus. Wie ein gefangenes Tier, schwitzend und nach einem Ausweg suchend saß er da. „Und was tun wir jetzt, Leutnant? Wir wissen doch beide, dass sie nur hier Erscheinen würden, wenn sie handfeste Beweise hätten. Und wir wissen auch beide, dass diese Beweise nichts bringen werden, ich habe eine volle Amnestie erhalten.“ Scorn schlug langsam seinen Mantel zurück und entblößte seine Pistole. [br]Corvus nickte grimmig, bevor er blitzschnell aufsprang. Er schleuderte die Marke gegen Scorn, der sich reflexartig wegduckte. Als der Leutnant wieder zu Corvus blickte hatte dieser eine Pistole in der Hand. „Ich will nicht lügen Scorn, es hat unglaublich viel Spaß gemacht sie zu nehmen. Fast so viel Spaß wie euch alle zu täuschen. Mit euer blinden Rache habt ihr alle Zeugen getötet, die es gab, aber scheinbar hatte ich damals euren Geheimdienst unterschätzt. Ich war angenehm überrascht, als man mir sagte meine Zusammenarbeit und Informationen wären wichtiger als diese 'kleine Eskapade'. Wie dem auch sei Leutnant, ich vereine sie nur zu gern mit ihrer Liebsten.“ Er krümmte den Finger und Scorn konnte den Schlagbolzen hören, wie er ins Leere ging. Es klickte beinahe hämisch, als Varen immer wieder den Abzug betätigte. Langsam nahm der Leutnant seine eigene Pistole heraus und zielte damit auf die Brust des Mannes. Es knallte und Corvus wurde zu Boden geschlagen. Aufstöhnend wälzte er sich herum und versuchte sich an seinem Stuhl in die Höhe zu ziehen. Mit fünf schnellen Schritten war Scorn bei ihm und schob das Möbelstück mit dem Fuß zu Seite. Corvus spuckte Blut auf die Stiefel des Offiziers und grinste ihn mit roten Zähnen an. „Vergiss niemals das Gesicht des Mannes, der dich all die Jahre gequält hat, Harbinger.“ „Ich versuche es in Erinnerung zu behalten, Abschaum.“ Sein Daumen legte den Hebel seiner Waffe auf Vollautomatisch. Er krümmte den Finger und verwandelte den Kopf des Sargentos in blutige, unidentifizierbare Masse. Er als es wiederholt metallisch klickte senkte Scorn den Lauf. Er nahm die Marke vom Boden auf und steckte das Foto ein. Dann verließ er das Büro.[br] Kehle lehnte an der Wand neben der Tür, die Arme verschränkt. „Wir nehmen an, der Erste Leutnant ist fertig?“ Scorn nickte mit zusammengekniffenen Lippen. Der Agent löste sich von der Wand und holte eine Hand voll Pistolenkugeln aus einer Manteltasche. Er wollte an Scorn vorbei in das Zimmer, aber der Leutnant hielt ihn am Arm fest. „Danke, Kehle“, sagte er ernst und er Angesprochene neigte wohlwollend den Kopf. Dann ging Scorn den Gang langsam zurück zum Shuttle. Er konnte das dumpfe abfeuern einer Pistole hören und kurz nach ihm kam Kehle an ihrem Gefährt an. „Wir hoffen, der Erste Leutnant wird sich an die Abmachung halten?“ Scorn nickte stumm. „Ich halte mein Wort, Kehle. Tun Sie, was sie müssen.“ [br]Kehle stand im Aufzug welcher in die Tiefe fuhr. Scorn stand neben ihm und schaute immer wieder misstrauisch herüber. Sie befanden sich auf dem Weg zum Büro des Geheimdienstchefs und langsam bekam der Leutnant wohl eine Ahnung, was Kehle vor hatte. Mit einem sanften Ruck hielt der Aufzug an und die Türen öffneten sich langsam. Die Wachposten richteten ihre Waffen auf sie und einer trat hervor um sie zu identifizieren und zu dursuchen. Kehle hatte extra Iris beauftragt herauszufinden wo sich Wirbel gerade aufhielt, aber diese hatte außerhalb des Planeten zu tun, ansonsten hätte er sich nicht getraut seinen Plan durchzuziehen. Ihnen wurden die Waffen abgenommen und Kehle nickte dem Leutnant zu. „Wir möchten, dass der Erste Leutnant hier wartet. Wir werden etwas Zeit brauchen.“ Dann machte er sich auf den Weg zu der schweren Panzertür. Diese öffnete sich wie von Zauberhand. Kehle atmete tief durch und trat dann ein. Das Büro wirkte wie immer eher wie eine Wohnung. Bilder an den Wänden, gemütliche Möbel und Fensterattrappen sorgten für eine angenehme Umgebung. Cortex saß auf einem Sofa, sein Blick auf seinen PDA gebannt und winkte Kehle stumm heran. Dieser ging zuerst zur Minibar und goss zwei Gläser voll. Er reichte seinem abgelenktem Vorgesetzten eins davon und ließ sich nieder. Der Mann steckte das kleine Gerät in die Tasche und schaute seinen Untergebenen an. „Haben sie neue Erkenntnisse im Fall der Walhalla?“, fragte er ohne Umschweife und Begrüßung. „Wir konnten in der Tat einiges in Erfahrung bringen, beispielsweise konnten wir den Mord an Hauptmann Vanessa Curse von vor fast fünf Jahren aufdecken und entsprechend der Zufriedenheit aller Beteiligten sühnen.“ [br]Kehle fixierte seinen Gegenüber genau. „Des Weiteren konnten wir uns umfassend mit den Hintergründen der Zerstörung der Walhalla befassen und haben Folgende Erkenntnisse gewonnen.“ Kehle holte eine Akte aus seinem Mantel und schob sie über den Tisch. Cortex sah ihn voller böser Vorahnung und Misstrauen an. Er rührte die beschichtete Pape vor ihm nicht an. „Was bei Hel hat denn irgendeine Ermordung irgendeiner Soldatin von vor fünf Jahren damit zu tun Kehle?“ Der Agent lächelte wölfisch. „Der leitende Agent Cortex hat selbstverständlich das Recht zu fragen. Und wir antworten selbstverständlich. Die verstorbene Hauptmann Curse hat absolut gar nichts mit der Walhalla zu tun. Ebenso wenig der ehemalige, seit gestern ebenfalls verstorbene Sargento Varen Corvus und der Erste Leutnant Scorn ‚Iron' Harbinger, welcher vor der Tür wartet. Aber der Umstand ließ sich gut für unsere Pläne benutzen.“ Cortex lehnte sich langsam nach vorne, die Augen wurden zu schlitzen und er sprach leise, bedrohlich. „Sie werden jetzt aufhören meine Zeit zu verschwenden Kehle und mir sofort einen klaren, nachvollziehbaren Bericht geben. Und sie werden mir erklären, warum der Erste Leutnant wie ein besserer Adjutant vor der Tür steht und sie begleitet.“ [br]Kehle nickte. „Wir werden das gerne tun.“ Er lehnte sich zurück und machte es sich bequem, denn offenbar sollte die Erzählung länger dauern. Cortex schnaubte und genehmigte sich einen Schluck aus seinem Glas. „Wir waren ein junger Mitarbeiter des Imperialen Geheimdiensts. Auf Belem stationiert wurden wir genauso unerwartet von der Invasion überrascht wie jeder andere auch,“ seine Stimme wurde dunkler und duldete keine Unterbrechung. „Damals hatten wir ein Kind, ein kleines Mädchen und als wir in unseren Wohnbezirk kamen um sie zu retten, fanden wir nur einen rauchenden Krater vor. Durch Fügung und Glück gelang es uns nach Sterra zu fliehen, wo wir von einer zeitgleichen Eroberung des Planeten Wilgo hörten. Und von dem Widerstand, der sich dort gebildet hatte. Wir erfuhren, dass der Chef des Geheimdienstes wegen offenkundigem Versagens entlassen und verhaftet wurde. Eine Tragödie nie gekannten Ausmaßes hatte unser Reich getroffen und wir waren nicht vorbereitet.“ [br]Er legte den Kopf schief. „Sicher weiß der leitende Agent, wer danach die Leitung des Geheimdienstes übernahm. Und mit welcher Wahnwitzigen Idee.“ Cortex Mundwinkel zuckten. „Sie suchten einen Freiwilligen, welcher die Generalität der Invasoren auf Wilgo infiltriert und ausschaltet. Und sie fanden einen. Sie mussten ihn nur versprechen, er würde nicht überleben, damit er mit seiner kleinen Tochter vereint sein konnte. Wir wurden also nach Wilgo geschickt und mussten viele schreckliche Dinge tun. Wir haben Soldaten unserer Armee an die Galgen der Feinde gebracht, wir haben sie in Fallen laufen lassen und wir mussten sie sogar eigenhändig umbringen, bevor unser Ziel endlich zum Greifen nahe war.“ Cortex nahm noch einen Schluck und wartete angespannt. „Als ich auf den Knopf drückte, der meine Position an den Feuerleitstand eines Schlachtschiffes übermittelte hatte ich meinen Frieden gemacht. Ich hörte Etage um Etage des Bunkers brechen und in Flammen vergehen und weiß nur noch, wie ich lächelte.“ Eine Träne ran Kehle aus dem rechten Auge. „Kann sich der leitende Agent vorstellen, wie das ist aufzuwachen und zu bemerken, der eigene Körper gehorcht nicht? Zuerst hält man es für den Tod, dann für eine Lähmung, aber irgendwann merkt man, man ist nicht alleine. Irgendjemand existiert da noch, man weiß es, obwohl man es nicht sehen kann.“ [br]Jetzt war es Kehle, der sich nach vorne lehnte. „Als uns klar wurde, dass nicht dieser jemand die Kontrolle über uns hatte, sondern wir wie ein Parasit in diesem Körper lebte, überkam uns ein furchtbarer Verdacht. War es möglich, dass wir betrogen wurden? War es möglich, dass unserer simplen Bitte sterben zu dürfen nicht nachgekommen wurde?“ Sein Unterton hatte sich verändert. Es war nun eine direkte Frage, die nach einer Antwort verlangte. Cortex verzog unangenehm berührt den Mund. „Als man damals ihren Körper fand Kehle waren sie furchtbar verstümmelt und kaum noch am Leben. Aber medizinische Scans zeigten an, dass ihr Gehirn vollkommen in Takt war und wir brauchten die Informationen in ihrem Kopf, die sie gesammelt hatten.“ Er machte eine bedauernde Miene. „Wir entschlossen uns dazu eine experimentelle Technik einzusetzen, um ihr Bewusstsein in einen geklonten Körper zu übertragen. Unerwarteter Weise entwickelte die Hülle für Ihren Geist ein eigenes Bewusstsein und wir bemerkten es erst zu spät. Es war für uns danach unmöglich ihr altes Ich von ihrem neuen Körper zu trennen, um einen weiteren Versuch zu unternehmen.“ „Unmöglich? Nein, wir wissen es wäre nicht unmöglich, nur sehr Aufwändig.“ Cortex hob entschuldigend die Schultern, versuchte aber sich nicht in die Defensive drängen zu lassen.[br] „Wir haben getan, was wir konnten. Nachdem klar war, dass sie überleben und nicht übermäßigen geistigen Schaden davontragen würden haben wir uns sogar dazu entschlossen unser Versprechen einzuhalten, nur etwas anders als die gedacht haben. Wir haben aus einigen geretteten Proben ihre Tochter neu erschaffen. Verdammt wir haben ihr sogar einige falsche Erinnerungen an ihre Kindheit eingepflanzt.“ Kehle legte den Kopf auf die andere Seite, seine Wut konnte man Mühelos erkennen. „Unsere Tochter Iris entwickelte aber 'unerwarteter' Weise ebenfalls eine eigene, neue Persönlichkeit und weiß nicht einmal, was sie ist. Und uns ist durchaus aufgefallen, dass sie genetisch Modifiziert wurde um intelligenter zu sein als normale Menschen. Nicht umsonst ist sie die jüngste Adeptin des Geheimdienstes und hat bereits ihren Namen erhalten.“ Cortex nahm eine leicht trotzige Haltung an und versuchte sich nicht allzu stark anmerken zu lassen, dass er seinen Agenten für undankbar und kleinlich hielt. [br]„Das ist schon seit Jahrzehnten eine Methode, die wir anwenden. Kinder werden noch vor der Befruchtung erschaffen und ihre Intelligenz gesteigert, damit sie das Imperium voranbringen. Wir haben ihnen eine zweite Chance gegeben Kehle. Ein zweites Leben mit ihrer Tochter, dafür sollten sie mehr als dankbar sein.“ Der Agent lehnte sich wieder zurück und versuchte fast schon gewaltsam seine Wut zurück zu drängen. 'Er weiß nicht wie das ist seine Tochter nicht berühren zu können, nur eine blasse Illusion ihres Aussehens und Geruchs zu haben.' ‚Nein, weiß er nicht aber du wirst es ihn nicht erklären können und wir sollten uns damit nicht aufhalten.' 'Du hast Recht, bring die Geschichte zu Ende, wie besprochen.' Der Agent entspannte sich sichtlich und Cortex nahm erleichtert einen weiteren Schluck. „Wir haben unserem Bericht von Wilgo noch etwas hinzufügen. Wir sprachen mit Frau Velatina und sie war bereit uns Informationen über die nicht identifizierten Angreifer zu geben, im Austausch für Schutz und Straffreiheit.“[br] Cortex sah ihm direkt in die Augen, als Kehle fortfuhr. „Wir lehnten das Angebot ab und provozieren eine Situation in der wir berechtigt waren Frau Velatina zu töten. Anschließend verzögerten wir die Nachforschungen unauffällig, bis die erwartete Katastrophe eingetreten war.“ |